Luftbild einer Solarkollektoren-Anlage auf einem Feld

Bürgerenergie: Gemeinsam Energie produzieren

Wer den Einsatz eigener Technik für die private Stromerzeugung scheut, sollte sich Bürgerenergie-Genossenschaften anschauen. Eine attraktive Variante, um aktiv an der Energiewende teilhaben zu können.

Eine dezentrale und selbstbestimmte Energieversorgung stellt eine attraktive Alternative zur historisch gewachsenen zentralen Versorgung über große Energieunternehmen dar. Also einfach Solarmodule auf das Dach packen oder das eigene Windrad aufstellen? Als Eigenheimbesitzer bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten der alternativen Stromversorgung an. Für Mieter oder Besitzer von Immobilien mit eingeschränkten Installationsmöglichkeiten oder weniger geeigneten Standorten sieht es da schon anders aus. Ein Blick auf das Angebot von Bürger-Energie-Genossenschaften kann sich daher als lohnende Alternative erweisen.

Gemeinsam stark

Die rechtliche Basis einer Bürgerenergie-Genossenschaft ist nicht neu. In vielen anderen Wirtschaftsbereichen haben sich Menschen zusammengeschlossen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: seien es Banken, Wohnungs-, Einkaufs- oder Produktionsverbünde. Die Vorteile liegen auf der Hand. So kann in einer Genossenschaft das notwendige Kapital gemeinsam beschafft werden, Know-how bringen einzelne Spezialisten für alle mit ein und das Risiko wird breit gestreut. Deutschlandweit ist jede vierte Bürgerin oder Bürger Mitglied in einer Genossenschaft. Im Segment der Energie-Genossenschaften gibt es rund 80 Anbieter alleine in Hessen.

Vom Stromkäufer zum Stromproduzenten

Kernidee einer Energiegenossenschaft ist es, den Mitgliedern eine Möglichkeit zu eröffnen, selbst an der Produktion von erneuerbarer Energie teilzuhaben, – sei es aus Wind-, Wasser oder Sonnenenergie. Häufig liegen die herkömmlichen Lieferanten auch weit vom eigenen Wohnort entfernt. Viele Genossenschaften haben sich dagegen zum Ziel gesetzt, Strom dort zu produzieren, wo er auch verbraucht wird. Das stärkt die Regionen und lässt Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende aktiv teilnehmen.

Genossenschaften bieten unterschiedliche Möglichkeiten der finanziellen Teilhabe an

Es gibt grundsätzlich zwei Varianten, wie Verbraucher und Verbraucherinnen an einer Genossenschaft teilhaben können. Zuvorderst als Mitglied selbst. Im Mittel liegt der Anteilspreis zwischen 100 und 500 Euro. Häufig wird die Stückzahl der Anteile, die von Einzelpersonen an der Genossenschaft gehalten werden können, beschränkt. So soll vermieden werden, dass eine Genossenschaft in Schieflage gerät, wenn ein großer Anteilseigner selbst in Schwierigkeiten kommen sollte.

Viele Genossenschaften bieten ihren Mitgliedern auch die Möglichkeit, sich individuell mit Darlehen an Projekten zu beteiligen. Werden neue Windräder aufgestellt oder Solarmodule aufs Dach gebracht kann jedes Genossenschaftsmitglied das einzelne Vorhaben mit einem Darlehensbetrag mitfinanzieren. Auch die Darlehensbeträge sind so konstruiert, dass eine breite Finanzierung sichergestellt ist.

Der Gewinn der Genossenschaft wird per Dividende an die Mitglieder ausgezahlt, die Darlehen rentieren über die jeweiligen Zinsen, die für den Kredit vom Darlehensnehmer gezahlt werden.

Vom regionalen Stromproduzenten zum Servicedienstleister

Dass sich Genossenschaften dynamisch entwickeln, zeigt sich daran, dass sie mittlerweile neben der klassischen Energieproduktion für das regionale Umfeld auch als Stromanbieter deutschlandweit am Markt auftreten, wie beispielsweise die Bürgerwerke. Der Verbund aus rund 110 Energiegenossenschaften bietet bundesweit nachhaltig produzierten Strom zum Bezug an. Dieses Angebot ist nicht an eine Mitgliedschaft gebunden. Andere Energiegenossenschaften ermöglichen Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing. Oder geben ihr Know-how als Energieberater weiter.

Risiko einer Mitgliedschaft in einer Genossenschaft

Auch Genossenschaften sind auf dem freien Energiemarkt tätig. Zum Teil werden Projekte in Millionenhöhe organisiert. Das lässt natürlich die Frage aufkommen, was mit der persönlichen Einlage in der Genossenschaft passiert, wenn die Gemeinschaft nicht weiter existieren kann. Daher ist ein Blick in die Satzung jeder Genossenschaft geboten. Dort sollte eine sogenannte Nachschusspflicht explizit ausgeschlossen sein. Dieser Passus sagt, dass im schlimmsten Fall jedes Mitglied nur mit dem Wert seiner Anteilsstücke im Fall einer Insolvenz geradesteht. Ein weiterer Zugriff der Genossenschaft oder von Gläubigern auf anderes Vermögen der Mitglieder ist damit ausgeschlossen. Etwas anders verhält es sich mit den Darlehen für Projekte der Genossenschaft. Hier ist es in der Regel so, dass die Darlehen als sogenannte nachrangige Darlehen vergeben werden. Das heißt, wenn ein Projekt schiefgeht und nicht an den Start kommt oder sich nicht wirtschaftlich trägt, wird das eigene Darlehen erst dann erstattet, wenn alle anderen Gläubiger mit erstrangigen Ansprüchen bedient sind. Wer sich an eine Genossenschaft bindet oder Projekte mitfinanzieren möchte, sollte sich daher im Vorfeld die bestehende Satzung genau durchlesen und sich im Zweifel Rat bei fachkundigen Dritten holen.

Hessischer Fachverband

Von den rund 80 Energiegenossenschaften in Hessen haben sich 32 im Landesnetzwerk Bürger-Energie-Genossenschaften Hessen e.V. zusammengeschlossen. Als Einstieg in das Thema bietet die Webseite des Vereins eine Übersicht der Genossenschaften an, die Mitglied im Netzwerk sind. So kann schnell ein regionaler Verbund gefunden und sich über das Angebot vor Ort detailliert informiert werden. (eck)

Stand Nov. 2022

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