Die Justitia erhebt ihr Schwert und ihre Waage. Im Hintergrund weht die Flagge der Europäischen Union.

Fingerabdrücke im Personalausweis sind rechtmäßig

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist es unproblematisch möglich, dass Fingerabdrücke im Personalausweis abgebildet werden. Der EuGH sieht hierin zwar einen Grundrechtseingriff, hält diesen aber für gerechtfertigt.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Seit dem Jahr 2021 werden in Personalausweisen die Fingerabdrücke der Ausweisinhaber gespeichert. Ein Bürger beantragte nun bei der Stadt Wiesbaden einen Personalausweis ohne Aufnahme seiner Fingerabdrücke. Dies lehnte die Stadt Wiesbaden unter Verweis auf eine entsprechende Regelung im Personalausweisgesetz ab. Daraufhin reichte der Bürger, unterstützt vom Verein Digitalcourage e.V., eine Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden ein. Das Verwaltungsgericht fragte sich daraufhin, ob der mit dem verpflichtenden Fingerabdruck einhergehende Eingriff in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GRCh) und Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) erforderlich und verhältnismäßig ist. Aus diesem Grund hat das VG den EuGH um eine entsprechende Vorabentscheidung darüber gebeten.

In diesem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH befinden wir uns nun.

Welche Positionen vertreten die Parteien?

Der Kläger ist hier der Ansicht, dass der verpflichtende Fingerabdruck ein nicht gerechtfertigter Eingriff in sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei. Der Eingriff sei weder erforderlich noch verhältnismäßig, da man den mit dem verpflichtenden Fingerabdruck verbundenen Wunsch der verbesserten Personalisierung zur Verbrechensbekämpfung durch das weniger einschneidende Mittel eines Hologramms gleichermaßen erreichen könne.

Die Stadt Wiesbaden sieht das anders. Der Eingriff sei durch das Erreichen der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen gerechtfertigt: Die zusätzlich zu Lichtbildern abgedruckten Fingerabdrücke sollen die Herstellung von Fälschungen und den Identitätsdiebstahl bekämpfen sowie die Zusammenarbeit der staatlichen Überprüfungssysteme untereinander etwa bei Reisen im EU-Inland gewährleisten.
Der letztgenannten Ansicht hat sich auch der EuGH angeschlossen. Der EuGH führt hierzu aus: „Davon profitieren die EU-Bürger sogar, weil die Fingerabdrücke die Herstellung gefälschter Personalausweise und den Identitätsdiebstahl verhindern, leistet die Verpflichtung zur Abgabe der Fingerabdrücke sogar einen Beitrag zum Schutz des Privatlebens der betroffenen Personen als auch im weiteren Sinne zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus. Außerdem können Unionsbürger sich dadurch auf zuverlässige Weise identifizieren, sodass die Verpflichtung zudem die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt in der Europäischen Union erleichtert.“

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat der EuGH, das höchste europäische Gericht, über die Vereinbarkeit von deutschem Passrecht mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entschieden. Alle nationalen Gerichte innerhalb der EU müssen im Lichte dieser Rechtsprechung entscheiden. Das VG Wiesbaden muss seine Entscheidung somit im Lichte des EuGH-Urteil treffen.

Wie wirkt sich das Urteil am Ende auf die Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher aus?

Die Auswirkungen dieses Urteils auf die Verbraucherinnen und Verbraucher sind offensichtlich: Zwar wird durch die verpflichtende Abgabe von Fingerabdrücken in Grundrechte des Einzelnen eingegriffen, jedoch ist dieser Eingriff erforderlich und verhältnismäßig (siehe oben) und dient sogar dem Interesse der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger (Stichwort: bessere Verbrechensbekämpfung trotz Gewährleistung der Freizügigkeit im Unionsraum).

Ist das Urteil gut?

Ja, Daumen uneingeschränkt nach oben. Das Urteil dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der verpflichtenden Abgabe der Fingerabdrücke im Personalausweis werden Ziele verfolgt, die im ureigenen Interesse der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger liegen. Die Abgabe ist – wie dieses Urteil des EuGH feststellt – unzweifelhaft erforderlich und verhältnismäßig.

Was kann die Verbraucherin beziehungsweise der Verbraucher jetzt tun?

Die Verbraucherinnen beziehungsweise Verbraucher sollten immer wachsam bleiben und darauf achten, dass der Staat durch hoheitsrechtliche Maßnahmen nicht ungerechtfertigt in ihre beziehungsweise seine Rechte eingreift. Eingriffe müssen erforderlich und verhältnismäßig sein, so wie der EuGH im Fall des verpflichtenden Fingerabdrucks im Personalausweis geurteilt hat.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des EuGH vom 21.03.24 hat das Aktenzeichen Az C C 61/22.

Stand: März 2024

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„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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