Blick durch ein beschlagenes Fenster aus einem Flugzeit

Pauschalreisende aufgepasst bei Insolvenz der Fluggesellschaft

Nach einem Urteil des Amtsgerichts München ist ein Reiseveranstalter grundsätzlich nicht schadensersatzpflichtig, wenn die von ihm beauftragte Fluggesellschaft in Insolvenz gerät. Der Reisende muss sich dann mit den ihm gegebenenfalls entstandenen Unannehmlichkeiten abfinden.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier klagte ein Reisender gegen seinen Reiseveranstalter vor dem Amtsgericht München auf Schadensersatz. Er hatte für sich und seine Frau eine Pauschalreise nach Ägypten gebucht. Losgehen sollte es am 2. Oktober 2018 um 13.30 Uhr von Nürnberg nach Marsa Alam mit der Fluggesellschaft „Small Planet Airlines GmbH“. Und siehe da: Am 18. September 2018 meldete die vorgenannte Fluggesellschaft Insolvenz an. Somit musste der Hinflug durch eine andere Fluggesellschaft erfolgen und der Abflugtermin verzögerte sich auf 22:15 h am geplanten Abflugtag. Ihr Hotel erreichten die Fluggäste erst um 06:00 Uhr morgens.

Die Frau des Klägers erlitt infolge der Reisestrapazen nach Angaben des Klägers ein sogenanntes Kreislaufversagen. Deswegen musste die Frau des Klägers drei Tage lang vom Hotelarzt auf Ihrem Zimmer behandelt werden. Der Kläger macht hierfür 800 Euro Schadensersatz geltend. Der beklagte Münchener Reiseveranstalter hat hiervon vorgerichtlich 100 Euro erstattet. 

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Der Kläger trägt vor, dass seine Frau drei Tage lang vom Hotelarzt im Hotelzimmer behandelt werden musste, er sich um seine kranke Frau habe kümmern müssen und ihm eigentlich nach der EU-Verordnung Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) ein Anspruch in Höhe von 800 Euro gegen die Fluglinie zugestanden hätte. Das Geltendmachen dieses Anspruchs ist aufgrund der eingetretenen Insolvenz der Fluggesellschaft unmöglich geworden. Dies ist von dem Beklagten als professionellem Reiseunternehmen zu vertreten, was diesen wiederum schadensersatzpflichtig macht. Schließlich habe der Beklagte eine Fluglinie als Leistungserbringer gewählt, die sich bekanntermaßen bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Somit stünden ihm dem Kläger 800 Euro Schadensersatz gegen den Beklagten zu.

Der Beklagte sieht die Rechtslage hier ganz anders. Er ist der Ansicht, dass er keine Einstandspflicht für die Insolvenz der Fluggesellschaft habe. Außerdem habe er keine Kenntnis von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Fluggesellschaft gehabt. Im Übrigen bestehe auch keine Pflicht des Reiseveranstalters dafür Sorge zu tragen, dass etwaige Ansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung gegen die befördernde Fluggesellschaft auch immer durchsetzbar sind. Darüber hinaus sei die betreffende Fluggesellschaft ansonsten stets zuverlässig und sorgfältig gewesen, weshalb auch ein „frühzeitiges Hellhörig-Werden-Müssen“ hier nicht vorliegt. Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Letzter Ansicht hat sich auch das Amtsgericht München angeschlossen und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Nein, hier hat das Amtsgericht erstinstanzlich entschieden. Es ist grundsätzlich noch möglich, dass gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies ist jedoch nicht zu erwarten. Das Amtsgericht hat sich hier rechtlich eindeutig auf die Seite der Reiseveranstalter geschlagen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein anderes Gericht nun eine Rolle rückwärts macht und die Sichtweise des Klägers annimmt. Somit ist nicht damit zu rechnen, dass der Kläger wegen des für ihn überschaubaren klageweise geltend gemachten Betrages von 800 Euro noch ein weiteres Rechtsmittel einlegen wird.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf die Verbraucher aus?

Verbraucher sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie im Pauschalreisevertrag gewisse Risiken selbst tragen müssen. Dazu gehört vor allem auch das Risiko des Ausfalls eines bestimmten Leistungserbringers und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten entschädigungslos selbst tragen zu müssen.

Ist das Urteil gut?

Ja und Nein, Daumen waagerecht. Auf der einen Seite hat der Kläger einen Schaden erlitten, für dessen Entstehung er nicht verantwortlich ist. Von der insolventen Fluggesellschaft kann er nun im Blick auf die Fluggastrechteverordnung nichts mehr erwarten. Aus seiner Perspektive betrachtet steht der Reiseveranstalter der Flugleistung am Nächsten, da er ja diese pauschal als Leistungsbündel mitverkauft hat.

Aber objektiv gesehen kann der Reiseveranstalter genauso wenig für die Insolvenz der Fluggesellschaft wie der Pauschalreisende. Es wäre nun widersinnig, ihn mit zusätzlichen Schadensersatzansprüchen zu belasten und ihn quasi durch die Hintertür doch wieder mit dem Ausfallrisiko eines bestimmten Leistungserbringers zu belasten.

Was können Verbraucher jetzt tun?

Verbraucher sollten ihre Erwartungshaltung bei Pauschalreisen den tatsächlichen Gegebenheiten und insbesondere der Rechtslage anpassen. Es besteht keine Pflicht für den Reiseveranstalter zur kontinuierlichen Überprüfung der Solvenz der Leistungserbringer.

Der Pauschalreisende muss sich darauf einstellen, dass er gewisse unvorhersehbare Unannehmlichkeiten wegen des Ausfalls eines bestimmten Leistungserbringers selbst tragen muss. Der Reiseveranstalter – und das zeigt dieses Urteil deutlich –kann nicht als Platzhalter für den insolventen Leistungserbringer herhalten. Verbraucher sollten ihre Erwartungshaltung der Rechtslage anpassen.

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des AG München vom 23.04.2021 hat das Aktenzeichen AZ 158 C 23585/20.

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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