Ein Mann schaut mit der Fernbedienung in der Hand auf ein TV-Gerät

Netflix-Kunden aufgepasst bei Preisänderungsklauseln

Nach einem Urteil des Landgerichts Berlin ist es dem Streamingdienst Netflix verwehrt, eine einseitige Preisänderungsklausel in ihren Abo-Verträgen in der gegenwärtigen Form zu verwenden. Der Grund: Die Klausel ist nicht transparent genug.

Worum geht es bei der Entscheidung?

Hier geht es um eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen das Medienunternehmen Netflix- Der klagende vzbv möchte, dass die Beklagte die Verwendung einer Klausel ihrer Nutzungsbedingungen unterlässt. Hierin hatte sich der Streamingdienst das Recht eingeräumt, die Abo-Preise nach „billigen Ermessen“ von „Zeit zu Zeit“ zu ändern, „um die Auswirkungen von Änderungen der mit unserem Dienst verbundenen Gesamtkosten widerzuspiegeln“. Beispielhaft nannte das Unternehmen einige Kosten, die preisbeeinflussend sein können: Produktions- und Lizenzkosten, Kosten für Personal, Marketing, Finanzierung oder IT-Systeme.

Die Beklagte wurde schon einmal, nämlich im Dezember 2019, erfolgreich vom vzbv auf Unterlassung der Verwendung einer unzulässigen Preisanpassungsklausel verklagt. Die damalige Preisanpassungsklausel enthielt überhaupt keine Kriterien zu Preisänderungen und wurde vom Kammergericht Berlin für unzulässig erklärt.

Welche Positionen vertreten die beteiligten Parteien?

Die Beklagte ist hier der Ansicht, dass es grundsätzlich möglich sein müsse, Preisänderungen in Abo-Verträgen vorzunehmen. Die preisbeeinflussenden Kostenelemente habe sie mit Produktions- und Lieferkosten, Kosten für Personal, Marketing, Finanzierung oder IT-Systeme auch transparent angegeben.

Der Kläger ist hier gänzlich anderer Ansicht. Es sei nicht ausreichend, abstrakte Kriterien zu nennen, welche den Preis beeinflussen könnten Im Zweifel könne der Verbraucher dies auch selbst herausbekommen. Bei einem internationalen Konzern, wie es die Beklagte ist, könne nur die Angabe, in welchem konkreten Land, welche konkreten Kosten für die Preisbildung relevant sind, zu der notwendigen Transparenz von Preisanpassungsklauseln führen. Dies sei hier nicht der Fall.

Das LG hat sich der klägerischen Ansicht angeschlossen und die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung vorgenannter Klausel verklagt. Zusätzlich bemängelt das Gericht die mangelnde Ausgewogenheit der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel. Es müsse nicht nur die Möglichkeit geregelt werden, Preise nach oben anpassen zu können, sondern auch die Verpflichtung, die Preise bei Kostensenkungen ermäßigen zu müssen.

Ist die Sache höchstrichterlich entschieden?

Hier hat das Landgericht Berlin erstinstanzlich entschieden. Zwar hat die Beklagte Berufung gegen diese Entscheidung zum Kammergericht (KG) Berlin eingelegt. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass das KG hier anders entscheiden wird. Es geht nämlich nicht um die strittige Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, sondern um die Bewertung eines Verhaltens als intransparent. Dies wird ein anderes Gericht wohl genau so sehen wie das Landgericht.

Die Einlegung der Berufung in diesem Rechtsstreit spricht zum einen dafür, dass die „Kriegskasse“ (Geldreserve zum Führen von Rechtsstreitigkeiten) gut gefüllt sein muss, wenn sogar in diesem relativ aussichtslosen Rechtsstreit noch Berufung eingelegt wird. Zum anderen scheint sich die unterlegene Beklagte strikt an die alte Juristenweisheit „vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ zu klammern und der Berufung doch noch eine gewisse Erfolgschance beizumessen.

Für den Verbraucher ist es wichtig zu wissen, dass er sich erst auf die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung berufen können wird.

Wie wirkt sich die Entscheidung am Ende auf die Verbraucher aus?

Diese Entscheidung stärkt dem Verbraucher den Rücken. Er ist fortan nicht mehr willkürlichen Preisanpassungen seiner Abo-Verträge durch Netflix schutzlos ausgesetzt. Die Preisanpassungsklausel von Netflix-Abo-Verträgen ist ja nach diesem Urteil wegen Intransparenz unwirksam. Im Ergebnis heißt das, dass zum Beispiel höhere Personalkosten irgendwo auf der Welt keine Auswirkungen mehr auf die Preisgestaltung hier in Deutschland haben dürfen.

Ist das Urteil gut?

Ja. Daumen uneingeschränkt nach oben. Das Landgericht zeigt hier, dass sich die deutsche Rechtsprechung dem Transparenzgedanken verpflichtet fühlt. Die freie Vertragsentscheidung des Verbrauchers wird durch dieses Urteil gestärkt.

Was können Verbraucher jetzt tun?

Ist das Transparenzkriterium aus Verbrauchersicht nach wie vor nicht erfüllt, sollte der Verbraucher unmittelbar seine Verbraucherzentrale vor Ort kontaktieren, damit über das weitere Vorgehen beraten werden kann (z.B. Abmahnung, strafbewehrte Unterlassungserklärung).

Wo ist das Urteil zu finden?

Das Urteil des LG Berlin vom 16.12.2021 hat das Aktenzeichen Az 52 O 157/21.

Stand: März 2022

Autor

„Ihr gutes Recht“ ist die beliebte Kolumne von Rechtsassessor Nikolai Schmich, LL.M. Für die Leserinnen und Leser des Verbraucherfensters sucht und findet er jede Woche relevante Verbraucherurteile und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Verfahren.

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